Casino Royale

Der Identitätsverlust geht weiter

Vieles wollte man ändern beim neuen Bond, nicht nur den Hauptdarsteller. Der wurde dann ja (nach einigen etwas unglücklichen Auftritten) bekanntermaßen heftigst angefeindet. Doch die Entscheidung mit Daniel Craig einen "richtigen" Schauspieler auszuwählen hat sich im nachhinein betrachtet als richtig erwiesen. An den weniger überzeugenden Aspekten des Films trifft ihn keine Schuld. Die grüßte Fehlentscheidung war es wohl den Titelsong von einem Gesichtslosen männlichen Pop-"Sänger" trällern zu lassen, der dadurch so viel Wiedererkennungswert hat wie das übliche langweilige Gedudel im Radio.

Am Anfang des Films bekommt der junge James Bond gerade erst seine Lizenz zum Töten und gerät in einen Fall, in dem er gegen einen gewissen Le Chiffre antritt, der international Terroristen finanziert. Gegen den soll Mr. Bond dann in einem Poker-Turnier gewinnen, weil er im MI6 der beste in diesem Spiel ist. Natürlich macht er dabei auch einige Fehler und geht auch ansonsten recht grobschlächtig vor, sehr zum Missfallen seiner Chefin. Doch am Ende kommt alles ganz anders...

Daniel Craig bekommt den Spagat zwischen hartem Kämpfer und (etwas rauem) Charmeur tatsächlich glaubwürdig hin und rechtfertigt damit schon fast alleine seine Wahl. Auch Partnerin Eva Green und Judi Dench als M machen ihre Sache gut. Den anderen glaubt man ihre Charaktere auch, aber besonders die Bösen bleiben doch arg blass. Le Chiffre schafft es zwar etwas charismatischer und bedrohlicher zu wirken, als der Buchhalter aus "Sirb an einem anderen Tag," aber von den wirklich interressanten Gegenspielern des britischen Agenten ist er Meilenweit entfernt.

Immerhin gibt es drei große und Spektakuläre Actionszenen: Eine Verfolgungsjagd (zu Fuß) über eine Großbaustelle, die (trotz einiger aus "Heat" geklauter Bilder) vielleicht beste Actionszene auf dem Rollfeld eines Flughafens und der Showdown in einem im Wasser versinkenden Haus in Venedig, die zwar nicht so innovativ sind wie anderswo behauptet, aber durchaus zu den besten gehören, das man als Actionfan seit langem sehen konnte. Dazu gibt es noch einige kürzere und härtere Szenen, von denen allerdings zumindest zwei für eine "ab 12" Freigabe grenzwertig sind.

Trotz allem "Realismus" und einer gewissen Härte, hat sich der Film zum Glück eine gewisse Leichtigkeit und Ironie bewahrt, die den größten Teil des verbliebenen Unterschiedes zu amerikanischen Produktion ausmacht. Wo sie noch auftauchen, wird mit den Standards der Serie durchaus geschickt gespielt. So ist es hier nicht die Partnerin im Bikini, sondern James Bond selber der in Badehose aus dem Wasser auftaucht und es interessiert ihn nicht ob sein Wodka-Martini gerührt oder geschüttelt ist. Allerdings ist das so ziemlich alles, was von den klassischen Elementen der Serie geblieben ist.

Das wäre alles noch nicht so schlimm, denn für sich alleine genommen ist "Casino Royale" bis dahin ein guter Agenten-Actionfilm, der sich vielleicht an der einen oder anderen Stelle etwas kürzer hätte fassen können. Doch leider gibt es nach etwa drei vierteln der Laufzeit einen krassen Bruch in der Erzählung, die danach nicht mehr auf den Pfad der Tugend zurückfindet. Die Szenen im letzten Teil des Filmes wirken arg lieb- und zusammenhanglos aneinander geklebt. Das mag ein Versuch sein "realer" zu wirken, aber dramaturgisch ist es eine Katastrophe.

Auch das abrupte Ende ist äußerst unbefriedigend. Der Film legt bis dahin großen Wert darauf, dass jede Aktion des Helden neben den erwünschten oft auch negative Wirkungen hat. Am Ende ist das aber auf einmal völlig egal. Statt die Folgen der letzten Aktion zu beleuchten wird einfach übergangslos der Abspann eingeblendet. Was am Ende mit der Organisation passiert, gegen die James Bond den ganzen Film lang gekämpft hat, interessiert dann nicht mehr... Diese beiden Probleme kosten den Film den ansonsten, trotz einiger Längen, verdienten siebten Punkt, den ein dramaturgisch besserer und auf zwei Stunden komprimierter Film sicherlich bekommen hätte.

Casino Royale

Alternativen

  • Der Morgen stirbt nie(? - Der letzte richtige James Bond)
  • Goldfinger (? - Der vielleicht beste Bond)

Einzelwertung

Drehbuch: Plus Interessante Idee Minus Dünner Plot Minus Ende 4
Charactere: Plus James Bond, Partnerin, M Minus Viele Langweilig 6
Schauspiel: Plus Hauptfiguren Kreis Böse und Nebenfiguren blass 7
Kamera: Plus Gute Bilder Plus Sehr Effektiv 8
Musik: Plus Passend und treffsicher eingesetzt 7
Schnitt: Plus Technisch Perfekt Minus Lieblos zusammengetackerter letzter Teil 6
Inszenierung Plus Gutes Duell Plus Blöder letzter Teil 5
Design: Plus Unauffällig und passend 6
Effekte: Plus Perfekt eingepasste Effekte 7
Action: Plus Gut und leichtfüßig inszeniert Minus Unnötig harte Szenen 8
Summe: Plus Guter Agentenfilm Minus Kein richtiger "Bond"  64 
Guter Agenten-Actionfilm mit schwachem Ende 6
                   
Meinung

Casino Impossible

"Der Morgen stirbt nie" war der letzte "richtige" Bond, der in vielen Be­reichen schon ver­suchte in eine ähnliche Richtung zu gehen, wie jezt Casino Royale, aber eben ohne auf die lieb­gewonnen Standards der Serie zu ver­zichten. Der wirre "Die Welt ist nicht Genug" und erst recht der seelen­los tech­nische "Stirb an einem anderen Tag" hatte mit James Bond eigent­lich nicht mehr viel zu tun. Lezt­genannter Film wirkte eher wie eine mittel­mäßge Mischung aus "xXx - Triple X" und Actionkino der Marke Micheal Bay (oder Jerry Bruck­heimer). Obwohl "Casino Royale" der beste Bond seit langem ist, wirkt auch dieser Film wie die (dieses mal bessere) Ver­sion eines amerikanischen Vor­bildes. Das heißt hier "M-I-II".

Auch in "Casino Royale" muss der Held viel durch die Ge­gend laufen, wirkt dabei aber deutlich souveräner als Tom Cruise (und ist deutlich ab­wechs­lungs­reicher in Szene ge­sezt als der sich ewig wieder­holende M-I-II"). Wie im Vor­bild wirkt das wenige tech­nische Spiel­zeug des Helden relativ realistisch.

Brauchen wir wirklich einen James Bond, der uns zeigt, wie "Mission Impossible" eigent­lich aus­sehen sollte? Ich denke nicht. Die Macher sollten sich vielleicht mal einige Ge­danken dazu machen, was die Serie eigent­lich so einzig­artig macht und einen eigenen Standard zu setzen, statt amerikanischen Vor­bildern nach­zu­eifern.

Ganz nebenbei: Dass dazu aus­gerechnet eine James Bond Film den nackten (wohl­ge­formten) Männer­ober­körper in das Action­kino zurück­bringt, ob­wohl gerade der britische Agent eigent­lich immer korrekt ge­kleidet ist, ent­behrt nicht einer ge­wissen Ironie.